Ausbildungsabbrüche passieren immer wieder. Das ist teuer für das Unternehmen und suboptimal für den Azubi der abbricht – er verliert Zeit. Komplett vermeiden wird man Ausbildungsabbrüche sicherlich nie. Als Ausbildungsbetrieb sollte man aber eine gute Vorgehensweise haben, damit umzugehen. Auch wenn ich kein Patentrezept habe beschreibe ich in diesem Artikel meine Vorgehensweise in solchen Situationen.
Immer wieder kontaktieren mich Azubis, die nach einiger Zeit unglücklich im gewählten Ausbildungsberuf sind. Schnell kommt es dann zum Thema “Abbruch der Ausbildung”. Ich mache es den Azubis an dieser Stelle in keinen Fall leicht. Eine solche Frage muss – unter Abwägung des Ausbildungsfortschrittes und der möglichen Alternativen – ausführlich reflektiert werden. Dazu benötigen die Azubis in der Regel ein paar Hilfestellungen.
Nimm dir Zeit für deine Azubis!
Es gibt zwei Szenarien für “Abbruchinteressenten”. Die einen Azubis rufen bei mir an und wollen wissen, was sie tun müssen wenn sie abbrechen möchten. Die anderen Azubis haben vorher bereits mit ihrem/ihrer Ausbilder/in gesprochen und benötigen tiefergehende Beratung. Ich nehmen mir für beide Szenarien Zeit und führe ein ausführliches und persönliches Gespräch mit den Azubis.
Frage deine Azubis, woran es mangelt!
Die Gründe für einen Abbruchwunsch sind sind vielschichtig und betreffen persönliche, betriebliche oder familiäre Belange. Bei diesen Gründen muss man durchaus unterschiedlich agieren.Vielfach trauen sich die jungen Menschen nicht die eigentlich zugrundeliegende Problematik anzusprechen und kommen mit ihrem Abbruchwunsch zu mir ohne über die Lösung des Problems nachgedacht zu haben. Mit geschickten Fragen bekommt man die wahren Gründe für den Abbruchwunsch in der Regel gut heraus.
Mir als Ausbildungsleiter sind die betrieblichen Gründe zunächst die Wichtigsten. Hierauf kann und muss ich Einfluss nehmen, denn ich bin verantwortlich für den reibungslosen Ablauf der Ausbildung im Betrieb. Einem Azubi der abbrechen möchte und dazu primär betriebliche Belange nennt kann man in den meisten Fällen sogar relativ einfach helfen. Typische Dinge die ich erlebe sind Azubis die eigentlich einen zusätzlichen Stützunterricht benötigen um Wissensdefizite auszugleichen (Ich schaffe nicht mehr den Lernstoff aufzuholen…). Hierbei helfen manchmal ganz banale Dinge wie das Vermitteln von Ausbildungsbegleitenden Hilfen (AbH) oder gezielte Rückgriffe auf den Katalog der betrieblichen Personalentwicklungsmaßnahmen. Oft sind mehrere Gespräche mit dem Ausbildungsbeauftragten oder Ausbilder zu führen, um entstandene zwischenmenschlichen Probleme zu bearbeiten. Hier ist dann häufig einfach nur Hilfe zur Selbsthilfe angesagt. Friedemann Schultz von Thun hat schon gesagt: Miteinander reden! – das hilft, wenn man tatsächlich an den Kern des Problems herankommt. Als Ausbildungsleiter muss man an solchen Fällen in jedem Fall dran bleiben. Immer mal wieder benötigen die Azubis auch Unterstützung bei der Kommunikation mit Mitazubis oder Kollegen. Für den Themenkomplex Kommunikation und Konflikt gibt es in unserem Unternehmen eine Sozialberatung und den betriebsmedizinischen Dienst. Wenn man selbst mal nicht weiterkommt mit seinen Bemühungen kann ein Gespräch mit den dortigen Expertinnen und Experten unterstützen. Als Ausbildungsleiter, Ausbilder oder auch als Ausbildungsbeauftragter am Arbeitsplatz kann man sich dort auch beraten lassen. Man gibt dort insbesondere auch den direkt betroffenen eine unmittelbare Hilfestellung – sofern diese Hilfe dort suchen. Einen solchen Service gibt es in vielen größeren Unternehmen. Das Abstellen von organisatorischen Mängeln, dagegen ist meist einfach und gut analysierbar. Ich schaue mir die Arbeitsplätze der Azubis an und stelle Fragen, um die Arbeitsabläufe zu erkennen. Die Ergebnisse thematisiere ich mit den Ausbildungbeauftragten und Ausbildern. Als letzten möglichen Schritt, kommt bei betrieblichen Gründen der Wechsel des Ausbildungsplatzes in eine andere Abteilung infrage, von diesem Mittel mache ich in meiner Praxis selten gebrauch – im weiteren Arbeitsleben kann man schließlich auch nicht bei Problemen “einfach mal den Arbeitsplatz wechseln”. Hier muss eine genügend große Schwelle vorhanden sein. denn im Arbeitsleben muss man kündigen oder sich (intern) erstmal bewerben.
Die persönlichen und familiären Gründe sind schwieriger zu bearbeiten. Sie sind sehr vielfältig und variieren in der Praxis zwischen einfachen Orientierungsproblemen (falsche Berufswahl) und eher temporären Tiefpunkten (weil die Partnerschaft gescheitert ist, man zuviel Zeit mit den falschen Freunden verbringt oder die Trennung der Eltern im Gang ist). Die temporären Tiefpunkte sind ganz klar Ausbildersache. Hier ist eine Absprache zwischen den Ausbildern, mir als Ausbildungsleiter und den Ausbildungsbeauftragten wichtig. Jeder der ausbildet und seine Azubis kennt, weiß mit diesen individuellen Motivationsproblemen umzugehen – gut zwischen den verschiedenen Rollen abgesprochen kann in fast allen Fällen die Ausbildung weitergehen.
Ich stelle bei den persönlichen Gesprächen stets verschiedene Fragen: z.B. Was genau ist denn falsch? Was müsste besser werden, um die Ausbildung nicht abzubrechen? Sind es wirklich alle Tätigkeiten die keinen Spass machen oder sind es nur spezielle Dinge? Wieviel von Ihrer Ausbildungszeit haben Sie denn jetzt schon rum? Gibt es Alternativen zu Ihrer jetzigen Ausbildung die Ihnen Spass machen würden? Die falsche Berufswahl resultiert oft aus mangender Berufsorientierung vor Beginn der Berufsausbildung. Durch die abgebrochene Ausbildung wird die Berufsorientierung auch nicht wirklich besser. Klar, der Azubi weiß was er nicht möchte, aber was er will weiß er immer noch nicht. Ich versuchen in solchen Fällen meist an dieser Stellschraube anzusetzen, sofern das Verhalten des Azubis trotz Abbruchwunsch bisher eher unauffällig war. Der Azubi ist Azubi und soll auch möglichst Azubi bei uns bleiben. Wir haben ihn rekrutiert, er passt zum Unternehmen, sein Verhalten ist tadellos, er erhält eine Ausbildungsvergütung und ist eingearbeitet. Eine gute Voraussetzung um Weiterzumachen – vielleicht in einem anderen Berufsbild. Wir ermöglichen zum Beispiel Kurzpraktika in anderen Berufsbildern, um eine Orientierungsmöglichkeit zu geben. Gegebenenfalls kann dann ein Wechsel des Ausbildungberufs erfolgen. Dieser Wechsel ist wie die Versetzung allerdings die letzte Möglichkeit.
Zu den persönlichen Problemen gehören auch physische und psychische Probleme. Diese machen es dann tatsächlich teilweise unmöglich die Ausbildung fortzusetzen. Als Ausbildungsleiter mit einer genügend großen Anzahl an Azubis erlebt man recht viel. Aber auch hier sind durch den Azubi intendierte Ausbildungsabbrüche häufig zu vermeiden. Eventuelle physische oder psychische Probleme kann und sollte man vernünftigerweise nur mit dem Betriebsarzt und/oder der Sozialberatung klären – und zwar nur dann wenn der Azubi auch mitspielt und offen ist. Der Betriebsarzt (bei uns auch die Sozialberatung) unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht. Die Offenheit mit denen Azubis mit Erkrankungen umgehen ist sehr abhängig vom Betriebs- bzw. Ausbildungsklima. Hierfür gibt es meines Erachtens kein Patentrezept. Die Erkrankungen und die möglichen Lösungsansätze sind sehr individuell. Ausbildungverlängerung, AusbildungsverkürzungEingliederungsmaßnahmen nach Krankheit, Ausbildungswechsel, Ausbildungsabbruch, alles sind mögliche und auch sinnvolle Alternativen.
Dranbleiben ist angesagt!
Ich vereinbare in persönlichen Gesprächen auch immer ein bis zwei (manchmal auch mehr) Reviews nach einer gewissen Zeit. War die besprochene Kombination aus Maßnahme und Beratung nachhaltig? Sind weitere Probleme aufgetaucht oder ist ein Prozess des Dialoges entstanden? Das ist wesentlich, um nachhaltig an dem Abbruchkandidaten dranzubleiben und eine Hilfestellung bis zum erfolgreichen Abschluss der Ausbildung zu geben.
Zusammenfassend kann man sagen Kommunikation, Orientierung/Hilfestellung und Nachhaltgkeitskontrolle sind die wichtigsten Prozessschritte zur Vermeidung von Abbrüchen der Ausbildung.
Wie gehen Sie mit Ausbildungsabbrüchen in Ihrem Unternehmen um? Ich freue mich über Kommentare und Anmerkungen.